Bio Design Lab
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Glossar
Prof. für Nachhaltiges Bauen Dirk Hebel über Mycel
In welchem Zusammenhang arbeiten/ forschen Sie mit Mycel?

Unsere Forschung bezieht sich auf die Entwicklung regenerativer biologischer Baumaterialien. Mit Hilfe von Myzel, dem Wurzelgeflecht der Pilze, entwickeln wir neuartige Materialien, deren Produktion zu 100 % auf biologischen Prozessen basiert.

Nach vielen Jahren der Grundlagenforschung über Materialien auf Myzel-Basis haben wir deren Fähigkeit zur Verwendung als Baumaterial in mehreren Projekten und Bauwerken unter Beweis gestellt. Beim Projekt MycoTree, eine räumliche selbsttragende Struktur, wurden Bausteine aus Myzelium als tragende Komponenten eingesetzt. Der MycoTree enstand in Zusammenarbeit mit der Block Research Group an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich.

Mit welchen Pilzmycelien arbeiten/ forschen Sie und warum?

Wir arbeiten beispielsweise mit Sporen des Austernseitlings (Pleurotus Ostreatus) oder dem Reishi-Pilz (Ganoderma Lucidum).

Was finden Sie im speziellen spannend an Mycelien? Was ist Ihrer Meinung nach die „Superkraft“ von Mycelien?

Die Forschung über Pilz-Myzelium ist für uns spannend, da wir in diesem Material den neuen biologischen Zementersatz sehen. Das gewachsene Pilz-Myzelium kann als Bindemittel für biologisches Substrat verwendet werden, genauso wie Zement als Bindemittel für Sand und Kies eingesetzt wird.

Können Mycelien das Baumaterial der Zukunft sein?

Die zukünftige wirtschaftliche und ökologische Entwicklung weltweit ist stark mit der Frage verbunden, woher unsere Ressourcen für den zukünftigen Wohlstand kommen. Da unsere Minen versiegen und die CO2-Werte alarmierende Ausmaße erreichen, müssen wir in allen Wirtschaftsbereichen radikal umdenken. Bisher werden die natürlichen Ressourcen der Erde entnommen und in einem linearen Prozess entsorgt. Dieser Ansatz hat tiefgreifende Folgen für unseren Planeten, die sich noch verschärfen werden, wenn nicht ein zirkulärer Prozess installiert wird. Die Pilzforschung zielt darauf ab neue biologische Kreisläufe in der Bauindustrie zu etablieren.

Auf was muss man beim Kultivieren von Mycel achten?

Es gibt wahnsinnig viele Stellschrauben um den Wachstumsprozess zu steuern und dadurch die Materialkennwerte ja nach Anwendung festzulegen.

Gibt es einen regionalen Bezug/ Geschichte zur Verwendung oder Erforschung von Mycelien?

Pilze werden schon seit Menschengedenken weltweit genutzt, beispielsweise als Speise- oder Giftpilze. In der Bauindustrie haben sie eher einen schlechten Ruf als Schädling, der z.B. holzzerstörend wirkt.

Die Verwendung von Myzel, dem Wurzelgeflecht der Pilze, zur Kultivierung von Baumaterialien ist noch relativ neu. Hier müssen wir weiterhin noch viel Überzeugungsarbeit leisten, dass diese Materialien nichts mit den holzzerstörenden Pilzen zu tun haben.

Stellen Sie bitte kurz Ihren Fachbereich vor.

Sekündlich wächst unsere Erdbevölkerung um 2,47 Menschen, alle mit dem Bestreben und dem Recht nach einem würdevollen Leben und Teilhabe an Glück und Wohlstand. Gleichzeitig gehen unsere natürlichen Ressourcen mit denen wir bis anhin dieses Bestreben befriedigt haben zur Neige. Das rasante Verschwinden von Sand, Zink, Kupfer oder Seltenen Erden, wie es auch in der Tagespresse behandelt wird, sind nur die Vorboten einer dramatischen Situation für zukünftige Generationen, welche es mit der Frage nach neuartigen Ressourcen, ökonomischen Modellen und alternativen Energiegewinnungen zu beantworten gilt. Das Verständnis und Erkennen von städtische Minen, kultivierten Baumaterialien und geschlossenen Kreislaufmodellen sind dabei zentrale Anliegen. Die Professur Nachhaltiges Bauen lehrt und forscht in der Überzeugung, dass dem akademischen Umfeld in diesen Fragen eine zentrale Rolle zufällt und es zukünftige Generationen für die immensen Aufgaben sensibilisieren und begeistern muss. Neben ökologischen, ökonomischen und sozial-ethischen Fragen spielt dabei die Ästhetik in unserer Disziplin eine entscheidende Rolle: nur was atemberaubend schön ist, wird auch nachhaltig erhalten, gepflegt und wertgeschätzt.

Hier können Sie interessante Website-Links, Buchtipps, sonstige Notizen eintragen:
  • Die Webseite der Professur für Nachhaltiges Bauen auf der sie weitere Informationen zu unserer Forschung und Lehre finden:
    www.nb.ieb.kit.edu

  • In der Versuchseinheit Urban Mining and Recycling (UMAR), eine Wohnung für Doktoranden im Forschungsgebäude NEST der Eidgenössischen Materialprüfungs- und Forschungsanstalt (Empa) in der Schweiz, wurde ein Teil der Wohnung mit myceliumgebundenen Platten gedämmt. Webseite:
    www.nest-umar.net

  • Weiterführende Literatur zum Thema:
    Cultivated buildings materials: industrialized natural resources for architecture and construction
    Dirk E. Hebel und Felix Heisel, Birkhäus





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